Nach einem Vortrag kam Nina zu mir, eine verzweifelte Studentin: Sie hatte an einer privaten Einrichtung in Düssledorf Design studiert. Ihrem Wunsch, einen Master anzuschließen, stand eines im Weg: Sie erhielt zum Abschluss keinen Bachelor, sondern ein Zertifikat. Ihre Frage: Reicht das für den Master?
Ninas Fall bestätigt mein immer wieder geäußertes Misstrauen gegenüber vielen privaten Hochschulen. Zwar gibt es einige hervorragende – andere verkaufen allerdings nur billigen Wein in bunten Schläuchen. Richtig übel wird es, wenn private Anbieter mittels Täuschung unerfahrene Abiturienten dazu bringen, viel Geld für einen nicht anerkannten Abschluss zu bezahlen. Ninas Schule warb damit, staatlich anerkannt zu sein. Was sie nicht hervorhob, war, wofür sie eigentlich anerkannt ist. Nämlich nicht für die Vergabe von Hochschabschlüssen. Ein Zertifikatsabschluss ist anders als der Bachelor nicht geschützt, jeder kann ihn vergeben.
Doch wie stehen Ninas Chancen, mit einem Zertifikatsstudium einen Master studieren zu dürfen? Die rechtliche Lage ist zunächst eindeutig, wie Frau Doktor Juliane Bally von der Hochschulrektorenkonferenz klarstellt: „Die Hochschulzulassungsgesetze sehen als Zugangsvoraussetzung für einen Master einen Bachelorabschluss oder gleichwertigen Abschluss vor. Ein reiner ‚Zertifikatsabschluss’ genügt nicht, um den Zugang zu einem Masterstudium zu erwerben.”
Master mit Zertifikat – undenkbar?
Kann Nina sich also den Traum von einem Masterstudium mit ihrem Zertifikatsabschluss aufgeben? Nicht ganz. Doktor Bally: „Ein Zertifikat kann stets als Zusatzqualifikation mit eingebracht werden. Inwieweit die dazu erbrachten Leistungen für einzelne Studiengänge angerechnet werden können, ist in den Prüfungsordnungen der Hochschulen und in den landesrechtlichen Bestimmungen geregelt.”
Im Klartext: Nina könnte sich für einen laufenden Bachelorstudiengang bewerben und ihre Leistungen aus dem Zertifikatsstudium dort anerkennen lassen. Doch wie leicht geht das? Nachfrage bei Professor Steffen Schulz aus dem Fachbereich Design der FH Münster: „Man muss hier von Fall zu Fall prüfen, inwieweit die Institutionen anerkannt sind. In einem etwaigen nächsten Schritt muss man sehen, ob sich die Inhalte des Zertifikatsstudiums in unserem Lehrplan wieder finden beziehungsweise ‚deckungsgleich’ sind. Eine generelle Info kann man daher nicht geben.“
Es gibt eine Reihe von Ausnahmen von der Regel, dass für die Aufnahme eines Masters ein Bachelor nötig ist. Viele Bundesländer ermöglichen es Bewerbern mit Berufsausbildung und mehreren Jahren Berufstätigkeit, auch ohne vorheriges Studium einen weiterbildenden Master zu machen. Daneben ist es in Hamburg möglich, einen künstlerischen Master zu machen, ohne dass man einen Bachelor besitzt.
Wenn Nina also wirklich nach ihrem Zertifikatsstudium einen Master dranhängen möchte, wird sie sich strecken müssen. Sie kann versuchen, sich im Bachelor einzuschreiben oder nach einigen Jahren Berufstätigkeit einen weiterbildenden Design-Master machen. Besser wäre es aber gewesen, von Anfang an auf das Zertifikat zu verzichten und einen Bachelor anzustreben.
Die Deutsche Universität für Weiterbildung in Berlin bietet ausschließlich berufsbegleitende Fernmaster an – und ist damit Teil eines Trends zur Ausdifferenzierung des Mastermarktes.
Die deutsche Hochschullandschaft befindet sich im größten Umbruch seit Humboldt. Ein wichtiger Teil dieses Umbruchs wurde durch die Einführung von Bachelor und Master ausgelöst. Hinzu kommen gravierende Veränderungen der Anforderungen, denen sich Hochschulen heute stellen müssen sowie ein deutlich erhöhter Stellenwert von Bildung und Weiterbildung.
Eine Reaktion auf die vielfachen Veränderungen ist ein sprunghafter Anstieg von Fernstudiengängen, die meist neben dem Beruf studiert werden können. Meist handelt es sich dabei um Fachhochschulen. Doch auch immer mehr private Universitäten kommen hinzu. Mittlerweile gibt es 11 Universitäten und 83 Fachhochschulen und es ist nicht davon auszugehen, dass die Grenzen des Wachstums bereits erreicht sind.
Im Jahr 2008 gründeten die Klett Gruppe zusammen mit der Freien Universität Berlin die Deutsche Universität für Weiterbildung (DUW), die ausschließlich berufsbegleitende Masterprogramme anbietet. Grund genug, dem Kanzler der Universität, Dr. Udo Thelen, einen Besuch abzustatten und mich zur Hochschule zu informieren.
Laut Thelen handelt es sich bei der FU Berlin und der Klett-Gruppe um eine ideale Kombination: „Der damalige FU-Präsident Lenzen erkannte, dass die Nachfrage nach berufsbegleitenden Studiengängen immer mehr zunimmt. Die FU brauchte aber einen Partner, der Know-how in Sachen Vertrieb, Marketing und der Organisation von Fernstudiengängen mitbrachte. Mit Klett hatte man einen idealen Kompagnon an Bord.“
Die DUW ist erst seit Oktober 2009 am Markt und hat aktuell etwa 130 Studierende. Laut Thelen ist mittelfristig eine Ausweitung auf etwa 1.000 Studierende geplant. Eine Besonderheit am Studium an der DUW ist der rollende Programmbeginn: Studierende können sich jederzeit einschreiben und ihr Studium beginnen. Ein Vorteil, da damit eine spontane Studienwahl möglich ist. Beim ersten Studienmonat handelt es sich um ein kostenloses Probestudium, danach sind 15.000 Euro fällig. Der Master dauert in der Regel zwei Jahre und besteht zu jeweils einem Drittel aus dem Studium von Studienheften, aus Aktivitäten auf dem Online-Campus sowie aus Präsenzveranstaltungen.
Die Zielgruppe der DUW sind ausdrücklich nicht „die Top 2-3 Prozent“, sondern „normale Berufstätige mit erstem Hochschulabschluss“. Bei den Lehrenden handelt es sich zu knapp über 50 Prozent um Wissenschaftler, der Rest wird von Praktikern aus den jeweiligen Bereichen geleitet.
Die DUW ist idyllisch gelegen in einer renovierten Gründerzeitvilla in direkter Nachbarschaft zur FU Berlin. Der Vermutung, dass fast das gesamte externe wissenschaftliche Lehrpersonal von der FU stammt, widerspricht Thelen jedoch: „Wir sind nicht Teil der FU und rekrutieren neben unserem eigenen wissenschaftlichen Personal Lehrende von überall her, sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Unternehmenspraxis.“
Einige Kommentatoren – darunter ich selbst – zweifeln die Qualität vieler privater Bildungseinrichtungen an. Vor allem viele private Fachhochschulen kommen ohne nennenswerten Lehrkörper aus und betreiben fast ihr gesamtes Kursangebot durch eine Kakophonie von externen Lehrenden. Dieses Problem sieht auch Thelen, allerdings sei der Markt für Privatuniversitäten anders: „Privatuniversitäten müssen sich einem rigorosen Qualitätsmanagement unterwerfen. Unsere Evaluations- und Berichtspflichten gehen weit über die der staatlichen Universitäten hinaus. So manche staatliche Hochschule würde zum Beispiel bei einer Begutachtung durch den Wissenschaftsrat vermutlich nicht sehr gut aussehen.“ Dabei legt er Wert auf die Feststellung, dass die Programmleitung von Studiengängen stets in den Händen von wissenschaftlichen DUW-Beschäftigten liegt.
Thelen sieht längerfristig keine Konkurrenz zwischen der DUW und staatlichen Einrichtungen. „Wir kommen weg von einer Konkurrenzbeziehung und hin zu Komplementarität. Der Markt an berufsbegleitenden Masterprogrammen wächst rasant und wird von den staatlichen Hochschulen kaum abgedeckt.“ Er sieht langfristig ein Potential von jährlich etwa 100.000 Menschen, die berufsbegleitend einen Master machen – im Jahr 2007/08 waren es noch 6.500.
Private Hochschulen boomen. In den vergangenen Jahren ist ihre Zahl in Deutschland massiv gestiegen. Waren es Ende 2007 noch 60 private Hochschulen in ganz Deutschland, gibt es aktuell 94 Privathochschulen – eine Steigerung von über 50% innerhalb von zweieinhalb Jahren!
Rechtlich besteht zwischen staatlich anerkannten Abschlüssen öffentlicher und privater Hochschulen kein Unterschied. Ob eine Hochschule staatlich anerkannt ist, lässt sich einfach auf der Internetseite der Hochschulrektorenkonferenz überprüfen.
Viele Abiturienten und Bachelorabsolventen stehen bei ihrer Studienwahl vor der Frage, ob sie an eine private oder an eine staatliche Hochschule gehen sollen. Die Antwort lautet wie bei so vielen Dingen: Kommt drauf an.
Einige private Hochschulen wie die Jacobs University Bremen, die WHU in Vallendar oder die Bucerius Law School konnten sich einen hervorragenden Ruf erarbeiten. Viele private Einrichtungen bieten ein sehr dichtes Betreuungs- und Beratungsnetz sowie exzellente Kontakte in die Wirtschaft.
Wer meint, dass private Hochschulen den staatlichen grundsätzlich überlegen seien, irrt: Vielmehr sind in den vergangenen Jahren eine Reihe äußerst mittelmäßiger Anbieter auf den Markt vorgedrungen, die vor allem an ihren Studenten Geld verdienen möchten. Dies gilt vor allem für die Bereiche BWL und Medien. Für viele Studenten ist das Studium eine teure Enttäuschung: So schriebt 2006 eine Userin bei Studis-Online über die Karlshochschule in Karlsruhe (damals noch Internationale FH Karlsruhe): „ eine richtige Abzocke… ich würde nie wieder dahin gehen, ehrlich gesagt“
Es steht darüber hinaus zu befürchten, dass nicht alle ambitionierten Neugründungen bestehen bleiben – im Jahre 2009 waren mehrere Privathochschulen in Not geraten. Dort, wo es keine staatlichen Garantien gibt, kann das Geld schnell knapp werden – dann drohen Hochschulinsolvenzen. Eine weitere Konsolidierung ist wahrscheinlich: Vor allem jene Privathochschulen werden verschwinden, die ihre höheren Studiengebühren nicht durch eine bessere Lehre und Berufsaussichten rechtfertigen können.
2009 mussten zwei besonders ambitionierte Privathochschulen aus finanziellen Gründen schließen: Die Private Hanseuniversität Rostock sowie die Private Hochschule Bruchsal. Beide Hochschulen starteten mit großen Versprechungen, für die sie auch entsprechende Studiengebühren verlangten. Nach der Pleite wurden die Studenten weitgehend von staatlichen Hochschulen übernommen und konnten ihre Kurse anrechnen lassen – doch die hohen Studiengebühren waren genauso futsch wie die in Aussicht gestellten phantastischen Arbeitsmarktchancen.
Auch die hoch angesehene Universität Witten-Herdecke, die erste Privatuniversität Deutschlands, geriet 2008/09 in Finanznöte: Aufgrund von angeblich nicht ordnungsgemäßer Geschäftsführung und Löchern im Konzept strich das Land NRW eine Förderzahlung von 4,5 Millionen Euro und verlangte die Rückzahlung von weiteren 3 Millionen – der Universität drohte die Insolvenz. Nach langen Verhandlungen konnte eine Lösung gefunden werden; die Universität blieb erhalten, muss aber massiv am Personal sparen und die Studiengebühren erhöhen. Dass auch die Lehrqualität unter den Sparmaßnahmen leiden wird, lässt sich kaum vermeiden.
Viele private Fachhochschulen versuchen, ihren FH-Status zu verbergen, indem sie sich englische Namen geben (University oder University of Applied Sciences) oder schlicht und einfach Hochschule nennen – Letzteres ist ein Gattungsbegriff, der sowohl Universitäten als auch Fachhochschulen umfasst. Über die Hochschulsuche der Hochschulrektorenkonferenz lässt sich schnell herausfinden, welchen Status eine Hochschule wirklich hat.
Oftmals sind die Aspekte, die Ihnen Privathochschulen als Vorteile verkaufen, völlig normale Dinge, die man auch an jeder öffentlichen Hochschule findet. Klassische Beispiele für diese Schönfärbereien sind beispielsweise die „berufsrelevante Ausbildung durch hochqualifizierte Praktiker“ (die gibt es auch an jeder öffentlichen Provinzuniversität als Gastdozenten), oder die „exzellente Fachbibliothek mit mehr als 10.000 Fachbüchern“ (jede Kleinstadtbibliothek hat eine größere Auswahl). Gerne werden auch berühmte Persönlichkeiten, die einen Lehrauftrag halten oder im einmal jährlich tagenden Hochschulbeirat sitzen, als Imageträger genutzt – mit dem eigentlichen Niveau der Lehrveranstaltungen hat das jedoch nichts zu tun.
Privathochschulen werben auch oft mit den beruflichen Erfolgen ihrer Top-Absolventen. Diese Erfolge haben Top-Absolventen öffentlicher Hochschulen jedoch auch. Der berufliche Erfolg ergibt sich aus den Studienleistungen und persönlichem Ehrgeiz, Fleiß und Disziplin, nicht jedoch aus der ausschließlichen Tatsache, an einer Privathochschule studiert zu haben.
Um bei Privathochschulen die Spreu vom Weizen zu trennen, lohnt also ein kritischer Blick. Denn Privathochschulen sind durchgehend nur in einer Disziplin führend: Im Selbstmarketing. Für die Qualität der Lehre kann man Rankings – zum Beispiel das CHE Ranking.
Besonders wichtig sind auch Akkreditierungen. Diese besagen, ob ein Studiengang auch leistet, was er verspricht und wie studierbar er ist. Akkreditierungsagenturen gibt es viele. Bei managementorientierten Studiengängen zeigt eine Akkreditierung der im Kasten genannten Agenturen, dass es sich um einen guten Studiengang handelt.
Die FIBAA ist die deutsche Akkreditierungsagentur mit den härtesten Standards.
Gute Privathochschulen können eine bessere Lehre und bessere Berufseinstiegsmöglichkeiten bieten als staatliche Hochschulen. Meistens haben ihre Absolventen jedoch auch nur die gleichen (oder sogar schlechtere) Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie die Absolventen öffentlicher Hochschulen – und das bei hohen Studiengebühren. Ein schlechter Deal.
Update 9. August 2010: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass es sich bei der Deutschen Universität für Weiterbildung um eine Fachhochschule handele. Tatsächlich besitzt die Hochschule den Status einer Universität ohne Promotionsberechtigung.