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  • Last-Minute Studienwahl: Studienplatz trotz Absage

    Bewerber für NC-Studiengänge erhalten derzeit Zu- und Absagen. Bei historisch hohen Bewerberzahlen gibt es viele Enttäuschungen. Was studieren, falls es mit dem Wunschstudienplatz zunächst nicht klappt?

    Die Welle hatte sich lange angekündigt. Zusätzliche Kräfte wurden angeheuert, bessere technische Systeme sollten die Massen in die richtigen Bahnen lenken. Doch Kritiker unkten, dass die Maßnahmen nicht reichen würden: Die Welle werde schlicht zu groß, die Lösungen seien Stückwerk.

    Die Welle ist da: Die Bewerbungen um Studienplätze sind auf Rekordhöhe. Und alle fragen: „Was studieren – und wo?“

    Wir erleben derzeit eine Studierendenwelle. Die Anzahl an Studienanfängern wird aller Voraussicht nach auf einem historischen Höchststand sein. Das hat mehrere Gründe. Zum einen steigt schon seit längerem der Prozentsatz der Studierwilligen: Noch nie haben sich prozentual so viele junge Menschen eines Jahrgangs zum Studium entschlossen wie heute. Die große Welle wird derzeit allerdings von anderen Entwicklungen ausgelöst: Es strömen derzeit doppelte Abiturjahrgänge, die aufgrund der Verkürzung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre in den meisten Bundesländern entstehen, an die Hochschulen. Noch verstärkt wird dieser Effekt durch die plötzliche Abschaffung der Wehrpflicht: Plötzlich beginnen Jungs ihr Studium ein Jahr früher. Die Frage „Was studieren?“ ist dringender den je.

    Genaue Zahlen gibt es noch nicht, doch viele Hochschulen berichten von einem massiven Anstieg der Bewerberzahlen – die FU Berlin spricht von 65% mehr Bewerbern und die Universität Frankfurt sogar um einen Anstieg von 250% (siehe auch ein Bericht zu Bewerberzahlen auf Studis Online). Wobei: Der Anstieg auf Studienplätze ist nicht überall so hoch. Ralf Mahler, Leiter der Studienberatung an der Universität Hannover, berichtet: „Die Belastung für viele Zulassungsstellen ist derzeit aufgrund der Vielfachbewerbungen zwar sehr hoch, allerdings hat sich bei unseren NC-Studiengängen die Nachfrage lediglich um 16% erhöht. Der große Ansturm ist bisher ausgeblieben.“

    Schlafende Deichgrafen

    Was tat der Staat? Als wichtigste Maßnahme wurde im Rahmen des Hochschulpaktes die Finanzierung der Hochschulen mit dem Ziel erhöht, ausreichend Studienplätze zu schaffen. Und tatsächlich gibt es mehr Studienplätze (zumindest im Bachelor). Pensionierten Professoren wurden reaktiviert und neue – wenn auch oft befristete – Stellen geschaffen. Reichen werden die zusätzlichen Plätze aller Voraussicht nach allerdings nicht. Oder um im Bild zu bleiben: Die Deiche wurden erhöht – sind aber nicht hoch genug.

    Das war einmal: Die Wehrpflicht vorm Studium ist abgeschafft. Jetzt stellt sich die Frage „Was studieren“ noch früher.

    Hinzu kommt ein massiver Fehler im System: Mehr als die Hälfte aller Studiengänge ist inzwischen mit einem Numerus Clausus belegt. Abgesehen von medizinischen Fächern wird über die Zulassung zum Studium in der Regel an der jeweiligen Hochschule entschieden. Das Problem: Abiturienten bewerben sich meist an einer Reihe von Hochschulen gleichzeitig, um ihre Chancen zu verbessern. Die besonders guten erhalten eine Reihe von Zusagen für Studienplätze, von denen sie natürlich nur einen annehmen können. Damit versperren sie zunächst anderen Bewerbern die Plätze. Es kommt zu mehreren Nachrückrunden. Das absurde Ergebnis: Einige der begehrten Plätze werden am Ende gar nicht gefüllt – obwohl es durchaus eine entsprechende Nachfrage gegeben hätte. Studienwahl absurd.

    Dies wäre allerdings leicht zu lösen: In vielen anderen EU-Staaten wird schon seit langem die Verteilung der Bewerber auf die Studienplätze von zentraler Stelle übernommen. So erhalten Bewerber nur eine Zusage und versperren anderen nicht die Plätze. Bei uns sollte es 2010 so weit sein: Die Stiftung Hochschulstart sollte zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes System erarbeitet haben. Technologiepartner: Die staatseigene Firma Hochschulinformationssystem (HIS) sowie T-Systems. Doch das Projekt scheiterte, die verschiedenen Parteien schoben sich gegenseitig die Schuld zu – siehe auch mein Artikel zum Scheitern der Stiftung Hochschulstart und des HIS.

    Hochschulstart
    Studieren – was jetzt? Hochschulstart und HIS haben es verbockt.

    2011 sollte alles anders werden. Ursprünglich. Schon bald wurde klar, dass es nach wie vor Probleme geben würde. Ralf Mahler, Leiter der Studienberatung an der Universität Hannover, berichtet: „Die Hochschulen sind heilfroh, dass der Systemstart dieses Jahr abgesagt wurde, denn das hätte ein großes Chaos gegeben. Die Schnittstellen funktionierten nicht richtig. Wir hoffen nun auf 2012.“ Wie wir inzwischen wissen, hat dies ebenfalls nicht geklappt. Und auch 2013 ist extrem fraglich. Was studieren? Ein Lottospiel.

    Was studieren: So bekommt man doch noch einen Studienplatz

    An der insgesamt problematischen Situation könnt ihr nichts ändern. Doch durch Recherche und Engagement könnt ihr eure Position bei der Studienwahl deutlich verbessern. Denn das Hochschulsystem ist komplex – und daher gibt es einen Haufen Tricks und Ideen, doch noch an euren Traumstudienplatz zu kommen.

    1 – Auf Nachrücklisten für Studienplätze gehen

    Nachrücklisten gibt es wie oben beschrieben aus gutem Grund: Viele Studierende bekommen mehrere Zusagen und können nur eine annehmen. Selbst wenn man einen scheinbar schlechten Platz hat, kann Beharrlichkeit sich auszahlen – häufig kommt die Zusage in der zweiten oder dritten Runde.

    Doch was tun, wenn man eine Zusage von einer nur mittelmäßig attraktiven Hochschule hat und bei seiner Traumhochschule nur auf der Warteliste steht? Soll man den weniger attraktiven Studienplatz annehmen oder pokern? Man kann zunächst beides machen – ein angenommener Platz kann auch wieder abgesagt werden. Hochschulen sehen das nicht gerne, können dagegen aber nichts machen. Wenn man sich noch vor Vorlesungsbeginn wieder exmatrikuliert, bekommt man auch in der Regel seine gezahlten Studienbeiträge wieder erstattet – zumindest auf Antrag. Man kann also um den richtigen Studienplatz pokern. Je weiter die Zeit voranschreitet, desto schwieriger wird es allerdings: Ihr müsst euch ja um eine Wohnung kümmern, euch auf das Studium vorbereiten.

    2 – Studienplatzbörsen nutzen

    So in etwa müssen wir uns vermutlich Studienplatzbörse freie-studienplaetze.de vorstellen…

    Weiter oben haben wir beschrieben, wie Hochschulen durch Mehrfachbewerbungen überfordert sind und am Ende oftmals Plätze leer bleiben. Um dieses Problem zu begrenzen, gibt es Studienplatzbörsen. Hier werden frei gebliebene Plätze aufgelistet – meist befinden sich diese allerdings nicht in den beliebtesten Städten. Doch ein Studium kann auch abseits der Studierendenmetropolen großen Spaß machen.

    Die bekannteste Studienplatzbörse ist diejenige der Hochschulrektorenkonferenz – hier werden ab dem 1. September frei gebliebene Plätze gelistet. Daneben gibt es die Studienplatzbörse von studieren.de. Anders als die Webseite der Hochschulrektorenkonferenz enthält sie auch Informationen zu nicht mit NC belegten Programmen. Die Börsen erleichtern die Studienwahl unter harten Bedingungen.

    Bei den Restplätzen von NC-Studiengängen wird in der Regel gelost. Teilnehmen dürfen an der Studienplatz-Verlosung dabei fast immer auch Bewerber, die sich ursprünglich gar nicht an der jeweiligen Hochschule beworben hatten. Die Verfahren sind dabei unterschiedlich, man muss sich also an der jeweiligen Hochschule informieren.

    3 – Studienwahl lokal: In die Provinz gehen

    Gute Studienbedingungen und günstiges Essen: Studieren im Osten

    Was studieren – und wo? Berlin, Münster, Frankfurt und München sind Beispiele für bei Studierenden extrem beliebte Städte. Die hohen Bewerberzahlen führen zu entsprechenden höheren NCs. Beispielsweise hatte das Fach Betriebswirtschaftslehre an der HU Berlin 2010 einen Numerus Clausus von 1,4, während es an anderen Orten – zum Beispiel an den Unis Halle und Bamberg – zulassungsfrei ist. Wer also an seinem Traumort nicht genommen wurde, sollte schauen, ob dasselbe Studium anderswo vielleicht zulassungsfrei ist – denn für solche Studiengänge sind vielerorts die Fristen noch nicht abgelaufen. Im Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz könnt ihr in der Profisuche nach zulassungsfreien Studiengängen suchen.

    Eine besonders große Auswahl an zulassungsfreien Studienplätzen gibt es dabei erfahrungsgemäß in Ostdeutschland: Hier nehmen die Abiturientenzahlen in jüngerer Zeit deutlich ab und es kommen vergleichsweise wenige Bewerber aus anderen Teilen Deutschlands. Ein Fehler: Der Osten bietet teils hervorragende Studienbedingungen. Bei der Studienwahl sollte man also die Provinz nicht ignorieren.

    Infos zu vergangenen NC-Werten gibt es auf www.nc-werte.info – allerdings sollte man dabei im Hinterkopf haben, dass es sich meist um die NC-Werte vorm Nachrückverfahren handelt. Über die Nachrückliste kommen dann auch noch Leute rein, deren Abiturnote ein wenig schlechter ist.

    4 – Was studieren: Quereinstieg durch verwandte Studiengänge

    An allen Hochschulen gibt es mit NC belegte sowie zulassungsfreie Studiengänge. Bei letzteren kann sich jeder mit einer Hochschulzugangsberechtigung einschreiben – also auch noch mit einem Abitur von 4,0. Hat man es nicht in sein Traumfach geschafft, besteht die Option, sich für einen Studienplatz in einem verwandten Fach anzumelden und dann auf einen späteren Wechsel zu spekulieren. Ralf Mahler gibt ein Beispiel: „Scheitert man an der Universität Hannover am NC für Biochemie, ist das zulassungsfreie Fach Chemie eine Alternative. Im Laufe der Zeit werden bei Biochemie immer Plätze frei. Dort kann man sich dann als Chemiestudent bewerben und seine bisherigen Leistungen anrechnen lassen.“

    Ein späterer Wechsel ist bei vergleichbaren Studiengängen durchaus eine Option. Die Chancen, nach den ersten Semestern seinen Studienplatz im Wunschfach zu bekommen sind im Wesentlichen abhängig davon, ob Studienplätze im Wunschfach frei geworden sind. Diese Strategie hilft allerdings nur, wenn die Fächer auch tatsächlich nah beieinander liegen. Daher rät Mahler zur Vorsicht bei dieser Art der Studienwahl: „Das kann klappen, muss aber nicht – man braucht also gute Nerven. Bewerber sollten sich immer individuell erkundigen, ob und wie das in den vorherigen Jahren funktioniert hat. Wichtig ist: Im Zweifel muss man auch mit dem eigentlich nicht bevorzugen Studium leben können.“

    5 – Studieren im Ausland

    Studieren in Holland / den Niederlanden
    Eine runde Sache: Studieren in Holland

    Nicht nur Was studieren? ist eine wichtige Frage – sondern auch Wo studieren? Viele Deutsche zieht es zum Studium ins Ausland – denn besonders in den Studiengängen Medizin und Psychologie übersteigt die Nachfrage nach entsprechende Studienplätzen  das deutsche Angebot bei weitem. Besonders beliebt sind dabei Österreich und die Schweiz sowie die Niederlande, die ein sehr umfangreiches englischsprachiges Studienangebot haben. Insgesamt sind die Voraussetzungen in den meisten Studienfächern in unseren Nachbarländern weitaus weniger hart als in Deutschland. Wer also am harten NC bei uns verzweifelt, sollte einen Blick über die Grenze werfen.

    In Österreich endet die Bewerbungsfrist erst am 1. September. Auch in den Niederlanden ist eine Bewerbung je nach Fach und Hochschule noch bis Anfang September möglich. In der Schweiz dagegen laufen die Fristen schon im April ausgelaufen.

    6 – Die Kapazitätsklage: Auf Studienplatz klagen

    Eine Ablehnung fürs Studium ist ein Verwaltungsakt – und damit anfechtbar. Wenn die Ablehnung kommt, hat man vier Wochen Zeit, dieser schriftlich zu widersprechen. Diesen Widerspruch wird die Hochschule natürlich abschmettern – es folgt die Klage auf einen Studienplatz. Diese kannst du selber führen oder dir einen Anwalt nehmen. Einschlägige Anwälte führen häufig Studienplatz-Sammelklagen – es lohnt sich eine Nachfrage bei lokalen Studentenvertretern. Der jeweilige Anwalt wird gegenüber dem Gericht argumentieren, dass die Hochschule mehr Studierende aufnehmen kann als von ihr behauptet – daher der Name „Kapazitätsklage“. Gibt das Gericht der Klage statt, müssen so viele klagende Bewerber aufgenommen werden, wie es Plätze gibt.

    Die grundsätzlichen Erfolgschancen einer Klage sind von Fach zu Fach sehr unterschiedlich. In Medizin sind die Erfolgschancen eher gering. Hinzu kommt, dass meist mehrere Bewerber klagen und dann etwaige zusätzliche Plätze unter den Klägern verlost werden. Daneben kosten Anwälte viel Geld. Sammelklagen verteilen die Kosten auf mehrere Schultern, wer sich allerdings mit vielen Hochschulen anlegt, kann leicht hohe Summen ausgeben – ohne Erfolgsgarantie. Die Klage ist also eine Lotterie.

    Einen extrem guten Artikel mit vielen Links zur Kapazitätsklage gibt es auf Studis Online. Daneben bietet die Anwaltskanzlei Dr. Selbmann & Bergert eine sehr ausführliche Infobroschüre zur Studienplatzklage.

    7 – Wartesemester: Warten und Zeit mit anderen sinnvollen Dingen verbringen

    Eine Alternative zum NC ist das Anhäufen von Wartesemestern – je nach Fach vergeben Hochschulen 20 bis 50 Prozent der Studienplätze nach Wartezeit. Wartezeit erhält man für alle Aktivitäten nach der Schule – außer für ein anderes Studium in Deutschland. Wer dagegen im Ausland studiert, akkumuliert in der Regel Wartesemester. Dies ist allerdings nicht an allen Hochschulen so: Einige Hochschulen – darunter die FU Berlin – akzeptieren Auslandsstudienjahre nicht.

    Je nach Beliebtheit des Faches und der Hochschule können aber mehrere Jahre des Wartens notwendig werden. Wenn man allerdings nur knapp am NC scheitert, sollte man sich zum Sommersemester wieder bewerben – dann sind die erforderlichen Durchschnittsnoten meist etwas geringer.

    Falls ihr euch übrigens zum Warten entscheidet, wäre es schade, eure Zeit mit sinnlosen Aktivitäten zu verschwenden. Eine besonders spannende Alternative sind Freiwilligendienste im In- und Ausland. Hier arbeitet ihr eine bestimmte Zeit lang in einem sozialen oder kulturellen Projekt. Es gibt einige lohnenswerte Angebote im Ausland wie der Europäische Freiwilligendienst oder Weltwärts. Auch Sprachen lernen macht Spaß und man zehrt ein Leben lang davon – in exotischen Ländern sind Sprachkurse oftmals nicht allzu teuer. Weitere Möglichkeiten wären Praktika, Reisen, Jobs oder eine Ausbildung.

    8 – Was studieren: Rat bei der Studienwahl suchen

    Studienberatung bei der Studienwahl
    Ganz so viel sollte man sich von der Studienberatung nicht erwarten. Ein paar Anregungen auf die Frage „Was studieren?“ reichen schon

    Die Studienwahl ist gerade für Neulinge oftmals kompliziert und intransparent. Daher ist es immer ratsam, sich beraten zu lassen. Ralf Mahler rät allen erfolglosen Bewerbern, erst einmal ruhig Blut zu behalten: „Studierwillige sollten sich an die jeweiligen Studienberatungen wenden. Dort können sie alle Alternativen durchsprechen.“ Weitere Ansprechpartner sind die Studierendenvertreter, die in der Regel im sogenannten AStA oder im Studierendenrat organisiert sind. Daneben hilft natürlich auch das Forum von Studis Online.

     

    Anmerkung: Dieser Artikel ist zuerst hier auf der hervorragenden Studierendenplattform Studis Online erschienen.

    Bilder:

    Bild 1 (Welle): Garuna bor-bor / Flickr.com

    Bild 2 (Wehrpflicht): Andrew Becraft / Flickr.com

    Bild 3 (Fragezeichen): David M* / Flickr.com

    Bild 4 (Börse): Ahmad Nawawi / Flickr.com

    Bild 5 (Bratwurst Sachse): frollein2007 / Flickr.com

    Bild 6 (Gouda): manuel | MC / Flickr.com

    Bild 7 (Hand): Funkyah / Flickr.com